Matrix Revolutions: Kampf des Kinosüchtigen gegen die Kritiker

Jetzt reicht's! Kritiker rund um den Globus haben den Abschluss der Trilogie der Wachowski-Brüder als "Enttäuschung des Jahres" gebranntmarkt, das Publikum polterte gegen die Matrix-Maschinerie und urteilte kurz "Geldmacherei". Und was vielleicht am Schlimmsten war: selbst eingefleischte Fans zuckten mit den Schultern.

Ich selbst – von Reloaded wenig begeistert – breche hier und heute eine Lanze: Matrix Revolutions ist besser als der Ruf, der ihm meilenweit vorrauseilt!

Erster Angriff der Matrix-Muffel: Revolutions habe eine schwache Story, über deren fehlende Logik und Dichte mit überflüssigen Effekten hinweggetäuscht werden soll.

Zugegeben: der Plot von Revolutions ist simpel. Aber wie in aller Welt hätte man das Aha-Moment übertrumpfen sollen, dass die Geburtsstunde der Matrix einläutete?

Was, wenn sich in Revolutions tatsächlich herrausgestellt hätte, dass Neo, Trinity und Konsorten in "Wirklichkeit" Maschinen sind und die Matrix nur geschaffen wurde, um die Maschinen unter Kontrolle zu halten, indem man sie glauben machte, sie seien Menschen, die wiederum gegen Maschinen kämpfen? Richtig, "konfus" bis "an den Haaren herbeigezogen" wären die wie Fallbeile vom Himmel gefallenen Reaktionen gewesen.

Die Grundidee der Wachowskis ist und bleibt genial. Ohne Diskussion. Und niemand hätte je von Einstein gefordert, mal was besseres als die olle Relativitätstheorie zu erdenken.

Zweite Häme: Die Dialoge triefen vor Pathos genau wie die schnulzige Liebesgeschichte zwischen Neo & Trinity.

Man bedenke: Die Wachowskis sind nicht Tarantino, ihre Filme keine Kleinode brillianter Skriptzeilen. Wie um alles in der Welt sollte man die Motive der ritterlichen Kämpfer um Zion sonst rechtfertigen? Stereotype Motive wie "Tapferkeit", "Bestimmung" und – jaaa, ihr lieben Zyniker – "Liebe" kommen in dieser konzentrierten Reinform nicht in unser aller Realität vor.

Was soll Trinity denn zu Neo sagen, wenn sie Richtung Maschinenstadt und in den sicheren Tod fliegen? "Nee Neo, ich glaub nicht an den ganzen Auserwählten-Schmus, lass mich aussteigen!" ? Nein, ist klar.

Wie alle anderen Filme ist auch die Matrix in einem Mikrokosmos gefangen, der außerhalb seiner Grenzen in seine Bestandteile zerfällt. Wären Neo, Trinity, Morpheus und all die anderen weniger Klischee und mehr Mensch, wäre ihr Handeln wohl kaum nachvollziehbar.

Neben diesem Pathos wurde natürlich auch die überbordende Symbolik an den Pranger gestellt, Manko Nr.3.

"Selbst eine Kreuzigungsszene scheuen die Brüder nicht", meckerte Susann Atwell am letzten Sonntag in Cinemaxx TV. Hoffentlich ist aber auch dem einen oder anderen aufgefallen, dass Namen wie Morpheus, Nebukadnezar oder gar ein Orakel nicht im örtlichen Telefonbuch zu finden sind, oder?

Von der ersten Sekunde war die Matrix eine einzige Reminiszens an die griechische Mythologie und lateinische Denker.

Menschen, die das, was ihnen als Realität präsentiert wird als diese akzeptieren ohne daran zu zweifeln und etwas über ihre eigene Wahrnehmung hinaus vermuten – Platos Höhlengleichnis lässt grüßen und schwenkt gigantische Zaunpfähle durch die Nervenbahnen des Publikums.

4. Die Action-Szenen sind zu lang und auf die Dauer langweilig, vor allen Dingen, da man eh weiß, dass Neo nicht sterben wird.

Ach, und bei James Bond, Ethan Hunt und Indiana Jones zittert man um die Protagonisten?

Sicher ist klar, dass Neo gewinnen muss. Die Gefechte in Matrix Revolutions stehen jedoch in einem ganz anderen Kontext als anno Reloaded, wo ein 10minütiger(!) Kampf mit hunderten Agent Smiths nur gut ausgehen konnte – siehe die goldenen Regeln einer Trilogie - töte deinen Protagonisten nicht schon in Teil 2.

Was die mangelnde Spannung betrifft: Wenn in Revolutions 1000 Statisten gebannt auf eine Wand starren und darauf warten, dass die todbringenden Maschinen ihren letzen Schutzwall durchbrechen, wenn das Bohrergeräusch an Donner erinnert und immer weiter anschwillt, immer lauter wird bis die Bässe im Kino derart hämmern, dass dein Sitz vibriert und du trotzdem eine Stecknadel zu Boden fallen hören könntest, wird das gemeinhin als Spannung bezeichnet.

Nur am Rande: in Filmen stirbt sowieso nie jemand wirklich - Tut mir leid für alle, die noch an den Weihnachtsmann glauben und sich hiermit vor den Kopf gestoßen fühlen.

Das Ende in Revolutions, welches eigentlich keines ist und aufgrund seiner Belanglosigkeit ruhig verraten werden könnte, lässt auch mich etwas ratlos im leeren Saal zurück.

Figuren, in Reloaded noch zeitraubend eingeführt, agieren nur im Hintergrund. Überhaupt haben die Wachowskis zum Schluss ein wenig den Überblick und die Kontrolle über ihre virtuelle Welt verloren. Ein wenig mehr Konsequenz und Entschlossenheit hätte Revolutions folglich besser getan statt der (Über)mut zur Lücke.

Doch zehn Minuten zerstören in diesem Fall nicht jahrelange Arbeit. Mit der Matrix haben sie eine eigene Welt geschaffen, eine Vierte Dimension ähnlich dem Universum, dass George Lucas mit seinen Sternenkriegen erschuf. Voll von brillianten Ideen, manche so bizarr, dass sie einmalig und nicht zu toppen waren. Coolness und Tempo des ersten Teils werden lange unerreicht bleiben.

Und wenn es schon kein anderer Regisseur vermag, die Matrix zu entthronen – warum verlangt man von den Wachowskis, sich wie Münchhausen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf der Einmaligkeit zu ziehen?

Revolutions ist ein spannender Actionfilm mit philosophischem Touch, einem Hauch tragischer Liebesgeschichte und gigantischen Effekten, was man längst nicht von allen Fortsetzungsfilmen sagen kann.

Der Erwartungsdruck, der auf Reloaded und Revolutions lastete, ist nur ein Zehntel dessen, was die Wachowskis bei ihren Folgewerken schultern werden müssen. Denn den Muff aus den schwarzen Ledermänteln zu klopfen, wird eine noch größere Herausforderung werden und kann – falls überhaupt – nur mit dem Ausflug in ein völlig anderes Genre geleistet werden.

Maxi Braun