Blut und Sperma - die elementaren Grundkomponenten biologischer Existenz, sind trotz ihrer pragmatisch nüchternen Funktionalität immer wieder faszinierende Topoi. Gerade, da sie immer wieder für Aufsehen und Erregung sorgen, positiver wie negativer Natur. Michael Winterbottoms neuester Film sorgte auf dem Sundance Festival für Aufruhr und Entrüstung. Ob diese gerechtfertigt war, konnten in deutschen Gefilden nicht nur Besucher der Berlinale, sondern auch die des Fantasy Filmfest erfahren.
Erzählt wird die Geschichte des texanischen Polizisten Lou Ford (Casey Affleck), der scheinbar das Paradebeispiel eines netten, anständigen Mannes ist. Als er vom Tod seines Bruders, eines verurteilten Kinderschänders, hört, glaubt er, dass der örtliche Immobilienmagnat dafür verantwortlich sei. Gleichzeitig bittet ihn dessen Sohn um einen pikanten Gefallen, da er die Prostituierte Joyce (Jessica Alba) in die Stadt geschmuggelt hat.
Doch Lou, trotz vorbildlicher Musterbeziehung zu seiner Jugendliebe Amy (Kate Hudson), verliebt sich selbst in Joyce, was zu einer sadomasochistischen Affäre unter der heißen texanischen Sonne führt.
Eine perfekte Grundkonstellation für einen schwülen Southern Noir, wäre nur nicht die Tatsache, dass Lou, und nicht sein Bruder, das soziopathische Enfant terrible der Stadt ist, und dessen innere Bestie sich nun wieder zu regen beginnt.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Michael Winterbottom (Road to Guantanamo, A Mighty Heart), das Wunderkind des britischen Films, von Hollywood entdeckt wird. Schon seit 9 Songs wissen wir, dass er durchaus eine Vorliebe für den provokativen, anfangs erwähnten menschlichen Kleister hat.
Seine Adaption des 1952 erschienenen Romans von Jim Thompson: Killer inside me hat gewaltiges Potential: Ein geschmeidiger Noir-Thriller mit psychotischem Twist, dazu noch ein gutes Schauspielerensemble - ein spannender Filmgenuss ist fast vorprogrammiert.
Doch es hakt. Aber warum? An den Schauspielern liegt es jedenfalls nicht. Casey Affleck ist die perfekte Antithese zu seinem Sonnyboy-Bruderherz, mit einer natürlich perfiden Note, die er schon brilliant in Die Ermordung des Jessie James durch den Feigling Robert Ford in Szene zu setzen wusste.
Atmosphärisch fühlt man sich in The Killer inside me perfekt in die damaligen Zeiten zurückversetzt und Winterbottom versteht es meisterhaft, ausdrucksstarke Ikonen zu erzeugen, was besonders in den für Furore gesorgten Mordsequenzen ersichtlich wird.
Problematisch ist in diesem Fall der Plot, der den Twist nicht exakt zu verwerten weiß und auf Dauer schlicht in sich zusammenfällt. Anstatt die moralische Leere und langsam voranschreitende Degeneration Lous zu skizzieren, entsteht abseits der dramatischen Todesszenen ein seltsam verzerrtes Bild des Protagonisten.
Es entsteht der Verdacht, als handle es sich bei ihm um einen rabiaten Dorftrottel, dessen Motiv eher Geldgier als Mordlust ist, und der sich mehr als unachtsam anstellt, was alles aber nicht Afflecks Schuld ist.
Eher wirkt die Erzählstruktur unangenehm oberflächlich und die Schwerpunktsetzung unausgegoren. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Winterbottom die künstlerische Provokation für sich entdeckt hat, den intelligenten Umgang mit selbiger aber nicht. Dies wird besonders in dem bildlich ausdrucksstarken, aber hanebüchenen Finale ersichtlich. Denn ohne zuviel verraten zu wollen, das Medium Film ist nicht olfaktorisch, die darin gezeigte Welt aber schon. Schade um das vergeudete Potential, aber letztendlich handelt es sich frei nach Shakespeare dann doch um viel Lärm um nichts.
Angelos Botsaris
07.09.2010
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Offizielle Website: http://www.killerinsideme.com/
imdb Info: The Killer inside me
