Being John Malkovich

1958 spuckte die Natur in New York den kleinen Charlie Kaufman ins Rampenlicht dieser Welt. Seitdem scheint es sich Amerikas originellster Drehbuchautor zur Aufgabe gemacht zu haben, den menschlichen Verstand zu sezieren. Geschickt tranchiert er dabei um die gesunden Hirnpartien herum, nur um den laut pulsierenden Wahnsinn aus uns heraus zu kitzeln und mit seinen chaotischen Farben die Leinwände zu bepinseln.

Sein Äquivalent auf dem Regiestuhl fand er in Spike Jonze, einem ähnlich ausgeflippten jungen Mann, der bis dato nicht weniger skurrile Musikclips (u.a. für Björk und die Beastie Boys) kreiert hatte.

Zusammen ebneten sie den Weg in eine neue Absurdität, zu der das Publikum so zuvor nie eingeladen worden war - was Being John Malkovich zu einer Premiere im vielfachen Sinne macht; basierend auf dem ersten Originalskript Kaufmans und von Regiedebütant Jonze in surrealistische Szene gesetzt.

Craig (John Cusack) ist darin ein erfolgloser Puppenspieler, seine Frau Lotte (der Abspann besagt, es handelt sich hierbei um Cameron Diaz - zu erkennen ist sie kaum) will aber ihre unzähligen exotischen Tiere gefüttert haben ...

Daher muss er bis zum Durchbruch im Stock 7 1/2 eines Hochhauses einen öden Bürojob aussitzen. Dort findet er auch eine hinter einem alten Aktenschrank verborgene Tür, die direkt in John Malkovichs Kopf führt. 15 Minuten darf sich dort jeder Gast in dessen Psyche herumtreiben, seine Sinne benutzen und sich wie der Star fühlen, bis er rüde herausgeschmissen wird und auf einem Highway landet.

Being John Malkovich - John Malkovich, John Cusack, Cameron Diaz von Spike Jonze - Video, DVD online bestellen Doch Craig kann die Klappe natürlich nicht halten und bald wollen alle einmal die Welt durch die Augen des Schauspielers erleben. Nicht zuletzt testet John Malkovich selbst die Tür in sein Ich.

Wieso also nicht richtig abkassieren, die Meute zahlt gut, um quasi "vor Ort" nach Leichen in den Kellergewölben von Malkovichs Unterbewusstsein zu stochern.

Wer jetzt noch fragt, was zur Hölle ein halbes Stockwerk ist und warum die vergessene Pforte ausgerechnet in John Malkovichs Schädel führen muss, sollte Freitag besser früh ins Bett gehen.

Denn wen dies bereits irritiert, der wird für Lottes Dilemma, die sich in Malkovichs Kopf in eine andere Frau verliebt und sich fortan fragt, ob sie nun lesbisch, hetero oder transsexuell ist, nur ein Schulterzucken übrig haben. Was wirklich hinter allem steckt, ist kaum mit Worten zu beschreiben.

Kaufmans Ideen, die indes mit der Adaption von Chuck Barris Roman Confessions of a dangerous Mind und Adaption (auch unter der Regie von Spike Jonze) zu einer beinahe geradlinigen Form gefunden haben, sind nicht jedermanns Geschmack. Bestenfalls sind sie konfus, oft ergeben sie für uns Normalsterbliche überhaupt keinen Sinn.

Im Kern aber handeln alle Kaufman-Geschichten von der Komplexität des menschlichen Geistes, der inneren Zerrissenheit und der Absurdität unseres Lebens, die jede noch so krude Hollywood-Mixtur in den Schatten zu stellen vermag. Spike Jonze verschränkt mit seiner Inszenierung derweil spitzbübisch grinsend die Arme und will auch keinerlei Verständnishilfe liefern.

Dieser Phantasie-Punsch macht Being John Malkovich zu einem Film, der so undurchschaubar wie Lynchs Alpträume und Kubricks Gesellschaftskritik ist, jedoch statt zu beunruhigen, amüsiert, ohne oberflächlich zu sein.

Abschließend bleibt die Frage: Was wäre passiert, wenn John Malkovich, der hier eine verletzliche Version seiner selbst gibt und brilliant (seinen Verstand) zu verlieren droht, den Part abgelehnt hätte?

Wäre dann Being George Clooney oder vielleicht Being Nicholas Cage daraus geworden? Wir werden es wohl nie erfahren.

Ich wünsche mir derweil eine Tür, die in das Labyrinth von Charlie Kaufmans Verstand führt - erst recht auf die Gefahr hin, nie wieder hinaus zu finden!

Maxi Braun

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