Rosencrantz and Guildenstern are dead - Shakespeare-Slapstick

Zunächst: Ich bin kein Shakespeare-Fan.
Auch auf die Gefahr hin, in der Hölle der Banausen zu landen, kann ich mich nicht für die 400 Jahre alten Stoffe und ihre zwar lyrische, doch für zeitgenössische Lauscher unbequeme Sprache begeistern.

Für Tom Stoppards (Verfasste z.Bsp. das Script zu Shakespeare in Love und war Co-Autor bei Brazil) filmische Umsetzung seines eigenen Stücks Rosencrantz and Guildenstern are dead ist dies ohnehin nicht von Belang.
Weder wird viel in Versform rezitiert, noch die Handlung allzu ernst genommen.
Alles, was man über Hamlet wissen muss, gilt für die meisten Dramen Shakespeares: Am Ende sind alle tot.

Rosencrantz und Guildenstern are dead - Film, DVD, Video - online bestellen Etwas ist faul im Staate Dänemark und Rosencrantz und Guildenstern sind an den Hof zitiert worden, um herauszufinden, wo genau der Hase begraben liegt. Tom Stoppard schickt Gary Oldman als naiv-vertrottelten Rosencrantz und Tim Roth als den nur minder clevereren Guildenstern auf eine Tour de Force durch den Hamlet.

Die eigentliche Geschichte um Mord und Intrigen läuft am Rande ab oder besser gesagt: an Rosencrantz und Guildenstern vorbei. Im wahrsten Sinne des Wortes. Immer wieder werden sie von dem Hofstaat überrannt, der unbeeindruckt und in Originalversen die Handlung vorantreibt.
Das Chaos wird perfekt durch eine im Königreich umher tingelnde Schauspielgruppe, die an den Hof gekommen ist um Hamlet aufzuheitern und mit ihren willkürlich stattfindenen Vorstellung der Wirklichkeit immer einen Schritt voraus ist.

So zeigt Stoppards Film eigentlich ein Stück im Stück im Stück. Die traditionelle Form behandelt er jedoch zweitrangig und die Gauklertruppe, angeführt von einem spielwütigen Richard Dreyfuss, eröffnet uns dagegen einige erfrischende Einblicke in Hamlet.

Nahezu wortlos, fast phantomimisch und herrlich simplifiziert handelt Dreyfuss als Intendant seines obskuren Haufens die wichtigsten Passagen ab. Wer fein aufpasst, wird den Schädel Yorick ebensowenig wie Ophelias vorerst letzten Schwimmausflug vermissen, solange man nicht im falschen Moment zu blinzeln wagt.

Denn die Helden sind eindeutig Rosencrantz und Guildenstern, die von alldem nichts, aber auch gar nicht verstehen.

In ruhigen Momenten vertreiben sie sich die Zeit mit "Question & Answer", ihren wirren Rhetorikduellen, die wie ein verbales Tennismatch funktionieren und noch viel weniger Sinn ergeben als ihre Anwesenheit insgesamt.
Türen führen in den selben Raum, aus dem sie einen eigentlich hätten bringen sollen, Hamlet gackert wie ein Huhn und ihre Nachforschungen führen sie im Kreis herum wie einen Hund, der seinen eigenen Schwanz zu fangen versucht.

Selbst die Omen für den eigenen Tod kommentiert das Duo naiv:
"Meinst du, das hat was mit uns zu tun?"
"Ich glaube nicht."

Tim Roth und Gary Oldman, die ihre Karriere beide auf den Theaterbrettern Englands begannen, konkurrieren dabei um die Gunst der Zuschauer.

Léon Director´s Cut - Film, DVD, Video - online bestellen Tim Roths Guildenstern mag der Dominantere sein, der angesichts seines besten Kumpels viel Geduld haben muss und meistens nur genervt den Kopf schütteln kann, bevor er ihn zum Schweigen bringt. Gary Oldman aber entfaltet in der Haut des Rosencrantz einen liebenswerten Trottel, hinter dessen freundlichen Blicken nicht ein einziges Mal der irre Bulle Norman Stansfield aus Léon oder Hash-Papi Sid Vicious aufblitzt. Der Mann könnte alles spielen, würde man ihn nur lassen.

Was in Worten wie eine billige Slapstick-Variante anmutet, ist eine herrlich verrückte Komödie geworden. Wenn endlich alle gemeuchelt sind und auch Rosencrantz und Guildenstern ratlos am Galgen baumeln und sich fragen, wie es um alles in der Welt so kommen konnte, sind manch elementare Fragen des Hamlet vielleicht gestreift, jedoch nicht beantwortet worden.

Die Rätsel um ein Leben nach dem Tod, um Schicksal und Sein oder Nichtsein sind nach knapp zwei Stunden nicht gelöst. Doch der subtile Witz und die absurden Details, die man erst nach mehrmaligem Sehen entdecken wird, sind ein grandioser Ersatz.
Nie war Shakespeare verständlicher, nie amüsanter. Und wenn man genau darüber nachdenkt, ist dies vielleicht die geschickteste Form, den Dichter in unsere Zeit zu transportieren.

Denn wen lockte der alte Will mit seinen Stücken in sein Elisabethanisches Theater? Das gemeine Volk.
Und das hätte an Rosencrantz and Guildenstern are dead damals genausoviel Spaß gehabt wie wir heute.

Maxi Braun