"Ob Tom Cruise das nötig hat, so eine Scheiße zu machen ?" Diese Äußerung fiel unlängst im Kino, als Vanilla Sky gerade mal eine Stunde lief, schon mehrere Leute die Toilette aufgesucht hatten und die Konzentration bei vielen sichtlich nachließ.
"Nötig" hat Cruise es ganz bestimmt nicht, überhaupt noch eine Minute zu arbeiten, aber wenn man genau hinsieht, kann man sich nur bedanken, dass er sich die Mühe trotzdem macht.
Denn David ist verwirrt. Erst findet er sich auf dem menschenleeren Times Square wieder, dann verliebt er sich in die atemberaubende Tänzerin Sofia (Penelope Cruz). Und aus Rache dafür lockt ihn seine Geliebte (Cameron Diaz kann einem in diesem Film richtig Angst machen) in ihren Wagen, nur um in einer emotionslosen Selbstmordmission eine Brücke hinunter zu stürzen und ihn mit in den vermeintlich sicheren Tod zu nehmen.
Der m.E. zum Niederknien gut aussehende Charmebolzen wird jedoch im Gesicht grauenvoll entstellt und überlebt wie durch ein Wunder. Oder etwa nicht?
Genau diese quälende Frage muss man sich stellen, wenn man sich auf den Zickzack–Kurs von Vanilla Sky einlässt. Und da genügt es nicht, sich ein Ticket und eine Tüte Popcorn zu kaufen. Denn wie auf einer imaginären Grenzlinie stehend, die die Realität, wie wir sie kennen, vom Nirwana unserer Wünsche und Träume trennt, werden wir von Cameron Crowe mal sanft auf die eine, mal weniger zartfühlend auf die andere Seite geschubst – nur damit er diese Linie irgendwann ausradieren und uns allein im Nirgendwo zwischen den Welten lassen kann.
Rein technisch gesehen ist Cruise darstellerische Leistung ebenso beachtlich wie die von Everybody's Darling Cameron Diaz, deren eingefrorenes Lächeln Alpträume beschert. Auch die Befürchtung, die oft als PR–Gag verschrieene Liason Cruise & Cruz würde die Botschaft des Films untergraben, löst sich in Luft auf: denn trotz der rasanten Schnitte, der fröhlich unbeschwerten Musik und der hellen Atmosphäre handelt es sich um einen zutiefst traurigen Film.
Obwohl vielen das Ende als eine Art Erlösung erscheinen mag, bei der David endlich Verantwortung für sein wahres Leben übernimmt und lieber mutig in die ungewisse Zukunft blickt, als in Vergangenem zu verharren - die Tragik einer einzigen falschen Entscheidung, die unser Leben mal abrupt, mal schleichend beenden kann und der Horror, der in der schönen neuen Welt der technischen Möglichkeiten auf uns lauert, dringt tiefer in unser Bewusstsein.
Worum es in Vanilla Sky wirklich geht?
Liebe, Tod, Einsamkeit, Entscheidungen oder einfach nur um's Leben selbst? Schwer zu sagen. Diese Wahl muss der Zuschauer selbst treffen, ebenso, ob ihm der Film gefällt oder nicht. Eines ist ganz sicher: Leicht wird ihm diese Entscheidung nicht fallen. Man muss sich schon ein bisschen anstrengen.
Maxi Braun
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