Ob es sich bei Requiem von Hans-Christian Schmid tatsächlich um "den besten Deutschen Film seit Jahren" handelt, ist mir noch nicht ganz klar; unbedingt ist er aber ein Film, dem viel, viel mehr Zuschauer zu wünschen sind, als es das klägliche Box Office zur Zeit hergibt.
Regisseur Schmid (Crazy, 23) hat sich - wie vor ein paar Monaten auch schon Scott Derrickson mit Der Exorzismus der Emily Rose - den Fall der vor 30 Jahren gestorbenen, epilepsiekranken Anneliese Michel zur Grundlage gemacht. Nach 13 Monaten Exorzismus erlag sie damals psychischer und physischer Entkräftung. Schmids Anneliese heißt Michaela Klingler (Sandra Hüller) und lebt im schwäbischen der 70er Jahre.
Während Derricksons Hollywood-Variante je zur Hälfte Gerichtsdrama und Horror-/Gruselfilm ist und zudem in der Gegenwart spielt, legt Schmid den Schwerpunkt auf die Umstände von Michaelas Krankheit, ihre familiäre Umgebung: die strenge, abweisende Mutter, der extreme Katholizismus der Familie, ihr eigener Glaube und vor allem ihr Versuch, mit 21 Jahren endlich aus dieser Welt zu entfliehen und in Tübingen Grundschullehramt zu studieren.
Dort, wo sie sich zunächst scheinbar gut einlebt, Freund und enge Freundin findet, werden die Anfälle allerdings schnell schlimmer, sie beginnt Stimmen zu hören, kann bald kirchliche Symbole nicht mehr berühren und baut zudem einen immer stärkeren Leistungsdruck gegenüber ihren Eltern und sich selbst auf.
Mit William Friedkins Exorzist hat all das nichts zu tun: Die großartige Sandra Hüller, die für ihre Darstellung verdient den Silbernen Bären auf der Berlinale erhielt, lässt ihren Kopf wo er hingehört, kotzt keine Erbsensuppe und ruft auch ansonsten eher Sympathie und Mitleid als Ekel oder Grusel hervor.
Schmids Film endet sogar, wo Der Exorzismus der Emily Rose oder Der Exorzist erst richtig losgehen: mehr als die erste, kurze "Austreibung" des Teufels im Haus der Eltern bekommt der Zuschauer nicht zu sehen.
Trotzdem oder wahrscheinlich gerade deshalb trifft einen Michaelas Leiden mit großer Wucht, deutlich und klar gelingt es Schmid und seinem Team zu zeigen, wie der Einzelne unter einer repressiven Gesellschaft zerbrechen kann.
Hannah Erxmeyer
offizielle Website: www.requiem-der-film.de
Wikipedia: Anneliese Michel
faz.net: Der "Fall Klingenberg" - Requiem: Die wahre Geschichte
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