Hollow City - Der verschwundene Ort - Na Cidade Vazia - Maria Joao Ganga

Maria Joao Ganga ist eine äußerst mutige Frau. Nicht nur, weil die selbst in Angola geborene Spielfilmdebütantin die Geschichte eines Kriegswaisen ohne falsche Sentimentalität erzählt. Der höchstens 10-jährige N'Dala hat Glück, als er nach der Ermordung seiner Eltern aus seiner Heimatstadt Bil mit vielen anderen Kindern von einer kirchlichen Organisation ausgeflogen wird.

Doch kann Luana, die neue Stadt in der eine Nonne ihren Schützlingen ein neues Leben ermöglichen will, wirklich eine zweite Heimat werden, wenn die alte nicht verlassen, sondern einfach von der Landkarte radiert wurde? N'Dala zweifelt daran, und weil seine Eltern nunmal nicht im Himmel über dem Großstadtmoloch Luanda sondern in dem des vertrauten Bil wohnen, will er dorthin zurück.

Hollow City/Der verschwundene Ort/Na Cidade Vazia von Maria Joao Ganga mit Júlia Botelho, Ana Bustorff, Domingos Fernandes Fonseca, Joao Roldan, Raúl Rosário u.a. Darum entwischt er der gutherzigen Nonne und versucht sich alleine im Großstadtdschungel zu behaupten. Dabei steht ihm neben einem Fischer, der eremitisch am Strand lebt, besonders der kaum ältere Ze zur Seite. Gemeinsam durchstreifen sie Luanda, eine Stadt in der zwar offiziell Frieden herrscht, unter deren Oberfläche und in den Hinterhöfen aber andere Schlachten geschlagen und Verbrechen begangen werden.

Die Nonne sucht derweil nach dem nun in doppelter Weise ein Flüchtlingsleben führenden N'Dala, der nicht gefunden werden will. Mit seinem Freund Ze lernt er, sich mit Luanda zu arrangieren wie mit einer tödlichen Krankheit. Gemeinsam erleben sie im Zeitraffer all die Dinge, die Kinder in diesem Alter beschäftigen. Sich heimlich ins Kino schmuggeln, die erste Zigarette rauchen und am ersten Bier nippen - als wäre alles ganz normal, als gebe es ein Licht am Ende des Tunnels, eine sonnige Perspektive, als hätten Soldaten nicht grundlos N'Dalas Eltern massakriert und ihm damit seine Kindheit geraubt.

Trotz des Elends weckt Na Cidade Vazia tatsächlich Hoffnung. Freundschaften entwickeln sich und Bil verblasst immer mehr in der Erinnerung des Waisenjungen. Die ehemalige Heimat wird tatsächlich zum verschwundenen Ort und fast möchte man glauben, dass doch noch alles gut werden kann.

Doch Regisseurin Maria Joao Ganga ist nicht nur eine mutige, sondern auch kluge und realistische Frau, die sich traut, ihr Publikum verdammt wütend zu machen. Weniger mutig als Ganga, werde ich das schockierende Ende von Na Cidade Vazia hier nicht vorwegnehmen, um nicht die Wut des Lesers auf mich zu ziehen.

Nur soviel: Aufgrund von leichten Dolmetschproblemen (bei einer Übersetzung vom Englischen ins Portugiesische und wieder zurück geht zwangsläufig etwas verloren) schon etwas mühselig, bekam man bei der im Anschluss an das Screening stattfindenden Diskussion den Eindruck, als würde es keinen der Zuschauer so richtig interessieren, wie ein Film in Angola überhaupt zu finanzieren ist. Wie in einem Land, in dem kaum Kinos oder gar eine eigenständige Filmindustrie existieren, je ein fertiger Film auf internationalem Niveau realisiert werden konnte.

Vielmehr schienen alle konsternierten Mienen nur eine Frage zu beschäftigen, die gegen Ende fast wie ein persönlicher Vorwurf an die Regisseurin herangetragen wurde: "Wie konnten sie den Film so enden lassen?"

Maria Joao Ganga ist vor allen Dingen eine weise Frau, denn ihre Antwort kam ebenso präzise und erbarmungslos wirklichkeitsnah wie ihr Film daher: "Mit dem Krieg endet das Elend der Opfer nicht. Erst die Aufbauarbeit danach zeigt, wie verheerend seine Folgen sind."

Maxi Braun

Hollow City - Der verschwundene Ort (2004)
Angola / Portugal (Na Cidade Vazia)
Regie: Maria Joao Ganga
Darsteller: Júlia Botelho, Ana Bustorff, Domingos Fernandes Fonseca, Joao Roldan, Raúl Rosário u.a.
offizielle Website: -
imdb Info: Hollow City