Musik Video Award
Ein Programmpunkt, bei dem man wie in den vergangenen Jahren wirklich überhaupt nichts falsch machen konnte, waren wieder einmal die Blöcke der Sektion Musikvideos, kurz MuVi genannt. Seit 1999 der weltweit erste Festivalpreis für Musikvideos aus Deutschland auf den Kurzfilmtagen eingeführt wurde, hat sich diese Sparte als feste Größe und auch ein wenig als der geheime Star Oberhausens etabliert.
Im Gegensatz zu den anderen Programmen weiß hier sowohl der Journalist als auch der zufällig vorbeischauende Zuschauer, dass er hier zwar Kunst auf hohem Niveau, aber auch jede Menge Spaß in einer alles andere als verkopften oder elitären Atmosphäre geboten bekommt.
Die Internationale Jury, bestehend aus Jens Balzer(Feuilletonredakteur der Berliner Zeitung), Ingibjörg Birgisdóttir (Mitglied der isländischen Indie-Band Seabear)und Phoenix Perry zeichnete mit One Minute Soundsculpture ein Video aus, in dem der Berliner Regisseur Daniel Franke die Klangexperimente des Japanischen Künstlers Ryoji Ikeda mit eleganten, bunten Formen visualisiert und verschmelzen lässt.
Auch die Musikvideos, die im Rahmen des Kinder- und Jugendprogramms getreu dem offiziellen Festivalmotto unter dem Titel „Animal Grooves“ firmierten, lockten eher die erwachsenen Besucher. Denn wo kann man schon Klassiker wie Spike Jonzes Interpretation von Björks "Triumph of a Heart", „The Salmon Dance“ der Chemical Brothers oder Goldfrapps Statement zum Schönheitswahn in „Number 1“ auf der großen Leinwand sehen, wenn nicht in Oberhausen?
Highlight der MuVi-Sektion war aber einmal mehr die erlesene Auswahl an internationalen Videos, die es im großen Saal der Lichtburg in nostalgischem Ambiente des goldenen Kinozeitalters, aber mit modernstem Sound zu erleben galt.
Was die Auswahlkommission um Jessica Manstetten dort präsentierte versammelte alles, was Rang, Namen und wichtiger noch einen regelrechten Overkill an Kreativität und Innovation zu bieten hatte, sowohl auf Seiten der den Sound liefernden Musikgenies, als auch auf der der Regisseure.
Angefangen mit Garth Jennings, der mit Per Anhalter durch die Galaxis und Son of Rambow auch im Bereich der Featurefilms vertreten ist. Zu Radioheads „Lotus Flower“ lässt er mit Thom Yorke den Frontmann der Band in klassischer Klamotte vor schlichtem Hintergrund eine expressive Performance in Schwarz-Weiß liefern.
Genauso stilsicher ist Simon Owens Video zu „Sun“. Die Elektroklänge des Kanadiers Caribou versetzen weibliche Schönheiten jenseits der 50 in sich selbst versunkene Ekstase, während die jüngeren Tänzerinnen, einer festgeschriebenen Choreographie folgend, ebenso lebensfroh agieren, aber noch nicht die Selbstsicherheit und Lebenserfahrung der anderen besitzen.
Nach fünf Jahren Abstinenz meldet sich auch Chris Cunningham endlich mit einem fulminanten Remix zu Gil-Scott-Herons „New York is Killing Me“ zurück.
Entsprechend der Zeile
„New York is fast, how do I compare
It's 24 frames in every second of a movie
Can't see frame change but it's always moving”
ist auch dieser Clip pure Bewegung, immer weiter vorwärts hinaus aus dem modernen Hades aus U-Bahntunneln, immer höher bis zu der funkelnden, schaurig-schönen Skyline des Molochs, begleitet von den pure Sehnsucht und Verzweiflung transportierenden Elegien von Gil Scott Heron selbst. Auch 2011 zeigt sich New York noch als eine unbeschreiblich schöne, aber auch grausame Geliebte. Cunninghams Ode reüssierte übrigens letztes Jahr als Installation im MoMa, gehört aber wie in Oberhausen auf eine gigantische Leinwand.
Weniger düster, aber als gehobener Trash de luxe präsentierte sich die Visualisierung von „Heathen Child“ von Nick Caves Zweitband Grinderman. Regisseur John Hillcoat hat neben den Spielfilmen The Road und The Proposition schon Musicvideos für so illustre Gestalten wie Bush, Placebo, Depeche Mode und Muse gemacht. Für „Heathen Child“ erschafft er einen irren Mix aus Religionen, Mythen und Dämonen, ein wahres Panoptikum des Irrsinns.
Ein bisschen durchgeknallt sind auch die beiden 13-jährigen Zombibräute aus Jennifer Reeders „1000 ways to skin it“. Selbst wer kein Fan von Mash-Up-Nummern ist, wird sich dem Mix von Nirvanas „Smells like teen spirit“ und Destiny’s Childs „Bootylicious“ aus dem Hause der 2 Many DJs nicht entziehen können. Der hinzukommende self-made Charme der ungezwungen vor der Kamera abgehenden Zombinen rockte die Lichtburg.
Jeder Beitrag des insgesamt 18 Videos umfassenden Programms wäre eine ausführliche Beschreibung wert, aber auch Platzgründen kann hier nur die subjektive Meinung der Autorin berücksichtigt werden, die das Programm gleich zweimal genießen durfte. Aber glücklicherweise sind fast alle Clips über die Seiten der jeweiligen Künstler verfügbar und auch wenn vor dem heimischen Stream nicht dieselbe Stimmung aufkommt wie in der rappelvollen Lichtburg, lohnt sich eine Privatvorführung allemal.
- Kurzfilmtage 2011 Oberhausen Intro
- Internationaler Wettbewerb
- Deutscher Wettbewerb
- NRW Wettbewerb
- Musik Video Award / MuVi
Maxi Braun
14.05.2011